- Hundertjähriger Krieg
- I
Hundertjähriger KriegZu Beginn des 14. Jahrhunderts gab es zwischen England und Frankreich vielfältige Streitpunkte. Neben dem Bestreben des französischen Königtums, die Engländer auch aus der Gascogne, dem Restbestand des Angevinischen Reiches, zu vertreiben, wurden elementare Wirtschaftsinteressen Englands durch die Versuche Frankreichs, in Flandern Fuß zu fassen, berührt, da die flämische Tuchindustrie als Hauptabnehmerin der englischen Wolle eine wichtige Stütze der englischen Wirtschaft bildete. Dazu kam, dass die englische Krone seit dem Ende des 13. Jahrhunderts eine rechtliche und faktische »Souveränität« über das Meer, das beide Länder trennte, in Anspruch nahm, um die wichtigen Seehandelsverbindungen zu beherrschen. Das konnte von Frankreich kaum hingenommen werden.Den unmittelbaren Anlass für den Beginn des Hundertjährigen Krieges gab der französische König Philipp VI. Valois, indem er im Mai 1337 die Gascogne für die französische Krone konfiszieren ließ. Auf der anderen Seite verlieh der englische König Eduard III. dem Konflikt eine neue rechtliche Dimension, als er für seine Person als Enkel Philipps IV., des Schönen, Ansprüche auf den französischen Königsthron erhob. Da diese Ansprüche jedoch über die weibliche Linie vermittelt waren, wurden sie in Frankreich bestritten. Außerdem versuchte Eduard, durch ein umfassendes Bündnissystem, dem auch der deutsche Kaiser Ludwig der Bayer angehörte, günstige Voraussetzungen für den Konflikt zu schaffen, während Frankreich vor allem auf Schottland als Verbündeten zählen konnte. Nachdem die Engländer 1340 in einer Seeschlacht vor dem flämischen Hafen Sluys einen ersten Sieg errungen hatten, suchte König Eduard die militärische Entscheidung auf dem Kontinent, als er im Juli 1346 zur Entlastung der bereits in der Gascogne und der Bretagne operierenden englischen Truppen an der Küste der Normandie landete, Caen einnahm und in das Landesinnere vordrang.Bei Crécy gelang dem englischen Aufgebot gegen ein überlegenes französisches Heer aus einer stark defensiven Position heraus ein spektakulärer Sieg (26. August 1346). Als schlachtentscheidend erwiesen sich dabei die englischen Bogenschützen, die zu Fuß kämpften und die ungestüm angreifenden französischen Ritter mit einem Geschosshagel von Pfeilen überzogen. Nach dem Sieg von Crécy hatte König Eduard freie Hand, um die strategisch wichtige Stadt Calais zu belagern, die nach tapferer Gegenwehr im August 1347 kapitulierte und von nun an bis weit in das 16. Jahrhundert hinein England als Vorposten auf dem Kontinent erhalten bleiben sollte.IIHundertjähriger Krieg,Bezeichnung für die englisch-französischen Auseinandersetzungen des 14./15. Jahrhunderts, die, mit langen Unterbrechungen, mehr als hundert Jahre andauerten (1337/39-1453). Anlass war der Anspruch des englischen Königs Eduard III. auf den französischen Thron (durch seine Mutter Isabella, Tochter Philipps IV. von Frankreich) nach dem Aussterben der Kapetinger in direkter Linie (Tod Karls IV. 1328). Als der neue französische König Philipp VI. (1328-50) aus der kapeting. Nebenlinie Valois 1337 den größten Teil Aquitaniens (das zum Haus Plantagenet gehörte) besetzen ließ und die Rückgabe von einer Geldzahlung abhängig machte, kündigte Eduard ihm den Lehnseid auf und setzte in die Niederlande über; die ersten Kampfhandlungen fanden 1339 statt. Die wichtigsten Ereignisse der ersten Phase des Hundertjährigen Krieges, der ausschließlich auf französischem Boden ausgetragen wurde, waren: die Niederlage der französischen Flotte im Hafen von Sluis (24. 6. 1340 und des französischen Ritterheers bei Crécy (26. 8. 1346, die Eroberung von Calais durch England (1347), die französische Niederlage bei Maupertuis (bei Poitiers; 19. 9. 1356), durch die König Johann II., der Gute, von Frankreich in englische Gefangenschaft geriet, und der Vertrag von Brétigny (1360), in dem Frankreich den Südwesten des Landes sowie das Poitou und Calais an England abtrat und Eduard III. auf die französische Krone verzichtete. Die französischen Niederlagen führten seit 1358 zu inneren Wirren (Aufstände des É. Marcel, der Jacquerie). In dem 1369 wieder ausgebrochenen Krieg kam es zunächst zu französischen Erfolgen, v. a. unter dem Heerführer B. Du Guesclin, jedoch führten Machtkämpfe zwischen den Herzögen von Burgund und von Orléans und ihren Anhängern, den »Bourguignons« und den »Armagnacs«, zur Landung Heinrichs V. von England (Sieg bei Azincourt, 25. 10. 1415), zur Besetzung von Nordwestfrankreich und von Paris. Durch den Vertrag von Troyes (1420) wurde Heinrich V. Regent und Erbe der französischen Krone. Der Dauphin, der spätere Karl VII., konnte den Süden behaupten, die Rückeroberung des Nordens setzte mit dem Eingreifen der Jeanne d'Arc ein (Aufhebung der Belagerung von Orléans und Krönung Karls VII. in Reims 1429); im Vertrag von Arras (1435) söhnten sich Karl VII. und der bis dahin mit England verbündete Herzog Philipp der Gute von Burgund aus; 1436 wurde Paris eingenommen, 1450 mussten die Engländer die Normandie räumen; bis 1453 verloren sie alle französischen Territorien außer Calais (bis 1558 englisch) und den Kanalinseln. Den Titel »König von Frankreich« führten die englischen Herrscher bis 1802.The Hundred Years War, hg. v. K. Fowler (London 1971);P. Contamine: La vie quotidienne pendant la guerre de cent ans. France et Angleterre, XIVe siècle (Paris 1976);P. Contamine: La guerre de cent ans (ebd. 51989);J. Favier: La guerre de cent ans (Neuausg. Paris 1993);M. Vale: The origins of the Hundred Years War (Neuausg. Oxford 1996).
Universal-Lexikon. 2012.